Es gibt Bibelzitate die “kennt ein jedes Kind”. Matthäus 18:3 beinhaltet so ein Zitat. das lautet :
“Wahrlich ich sage euch: Es sei denn, daß ihr umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“
Ich zitiere das immer gerne, wenn mir “kindischer Humor” vorgeworfen wird und ergänze das mit – “seht und ich plane es bei meinem Ableben auch ins Himmelreich zu schaffen und habe es dann nicht so weit. Christliche Leitkultur, nicht?”.
Leitbild Kind
Worauf ich heute jedoch hinaus will, ist leider etwas ernster – und das leitet sich aus der Tatsache her, dass die Bibel hier und Jesus mit seiner Aussage durchaus ernst genommen werden. Es gibt Diskussionen was denn genau “kindlich” bedeuten könnte und je nach Predigt, fällt das unterschiedlich aus. Die Frage, die die Jünger Jesus gestellt hatten war ja die: “ “Wer ist doch der Größte im Himmelreich?” Das Zitat erläutert Jesus mit dem Satz “Wer nun sich selbst erniedrigt wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.” Es nimmt also der Herr Jesus ein beliebiges Kind als Demonstrationsobjekt und stellt seine “Erniedrigung” in den Vordergrund. Er sagt weiter. “Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.” Da haben wir also das Leitbild “Kind” – und die, die sich wie ein Kind erniedrigen.
Gruß vom Marianengraben
Jesus antizipiert Zweifler und und Kritiker. Er fährt weiter fort mit: “Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben, dem wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft werde im Meer, da es am tiefsten ist.” In der King James Bibel ist das verwendete Verb “to offend” (beleidigen) und in der “English revised version” ist es ” cause to stumble” (zum Stolpern bringen). So heißt es auch in der “neuen evangelistischen” Ausgabe “zu Fall bringen”, denn “für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins tiefe Meer geworfen würde. Weh der Welt wegen all der Dinge, durch die Menschen zu Fall kommen! Es ist zwar unausweichlich, dass solche Dinge geschehen, doch weh dem Menschen, der daran schuld ist!
Warum jetzt “Scheuklappen”?
Nun – während Pastoren und Priester überhaupt keine Probleme haben, aus dem “so ihr nicht werdet wie die Kinder” eine rührende oder ermahnende Predigt herzuleiten – so wenig stellen sie vor, in welchem Kontext dieser Satz steht. Dort steht im Grunde ja “Für den, der einen Gläubigen zum Unglauben führt, wäre es besser (!) ertränkt zu werden.” Während das eine also als wahr und als Leitspruch taugt, wird der zweite Teil meist einfach weggelasssen. Und doch sind beides die Worte Jesu – sie können nicht unterschiedlich wahr oder unterschiedlich authentisch oder unterschiedlich verbindlich sein. Religiöse Menschen müssen also mit Scheuklappen vorgehen, wenn sie die Bibel lesen. Andererseits lesen sie ja die Bibel – aber sie können in eher säkularen Gesellschaften nicht offen darüber sprechen.
Einfach mal nachfragen
Also beim nächsten Gespräch einfach mal nachfragen: Ist der Satz “So ihr nicht werdet wie die Kinder…” für dich genau so wahr und verbindlich wie “für den wäre es besser mit einem Mühlstein um den Hals ins tiefe Meer geworfen zu werden”? Ich wäre auf die Antworten gespannt.
Ein Hinweis auf eine “seltsame Aktion”
Beim googeln bin ich auf den folgenden Artikel gestoßen – die Wanderreise des “mahnenden Mühlsteins”. Hier wird das Zitat mit Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht – und von einigen als “Aufforderung zur Hinrichtung” verstanden , von Theologen wird entgegnet ” die Gewaltandrohung müsse “kulturgeschichtlich engeordent werden”. Gemeint sei nicht, den Täter tatsächlich zu ertränken: „Das ist ein typisches Beispiel für Jesustraditionen, die sich widersprechen. Man muss fragen: Was ist die eigentliche Leitinstanz? In diesem Fall ist es die Feindesliebe und das Verbot von Vergeltung – daher ist es eine drastische metaphorische Beschreibung, aber keinesfalls der Aufruf zu Lynch, Hinrichtung oder Todesstrafe.” Na dann ist ja gut.
Und nun weiter im Bibeltext
Weh der Welt wegen all der Dinge, durch die Menschen zu Fall kommen! Es ist zwar unausweichlich, dass solche Dinge geschehen, doch weh dem Menschen, der daran schuld ist! Und wenn es deine Hand oder dein Fuß ist, die dich zum Bösen verführen, dann hack sie ab und wirf sie weg! Es ist besser, du gehst verstümmelt oder als Krüppel ins Leben ein, als mit beiden Händen und beiden Füßen in die Hölle zu kommen, in das ewige Feuer. Und wenn es dein Auge ist, das dich verführt, so reiß es heraus und wirf es weg! Es ist besser für dich, du gehst einäugig in das Leben ein, als dass du beide Augen behältst und in das Feuer der Hölle geworfen wirst. Hütet euch davor, einen dieser Geringgeachteten überheblich zu behandeln!
Also was nun?
Es ist schon seltsam – das ist wirklich ein metapherreicher Text, nicht? Worum geht es nun? Kinder nicht zu misshandeln oder sich über Gläubige nicht lustig zu machen oder sie zum Abfall vom Glauben zu verführen.
Die Kapitelüberschrift lautet: Warnung vor Verführung vom Abfall.

Ich denke, da lügen sich die Damen und Herren einfach selbst in die Tasche. Da geht also die “Feindesliebe” vor, hat man in neuerer Zeit herausgefunden? Also gibt es keinen Mühlstein für Menschen, die sich über Gläubige lustig machen oder die zum Abfall verführt? Wenn denn die Gläubigen Christen in diesem Punkte dem Vorbild nacheifern und “wie die Kinder” sind, benötigt dann die gesamte Gemeinde “Welpenschutz”? Ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie man als Christ nicht über diese unlautere Herangehensweise an den biblischen Text stolpern kann – und zwar auch ohne, dass man mit der Nase darauf gestoßen wird.